Interview: Maria Hasselmann und Johannes Möller
Zum Juli 2020 hat Maria Hasselman den Staffelstab der Light + Building an Johannes Möller übergeben (siehe arcade-Online-News vom 8. Juli). Und zwar in kürzester Zeit. Zeit genommen haben sich der bisherige und der künftige Kopf der Weltleitmesse trotzdem. Für ein Interview, miteinander.
Johannes Möller:
Maria,
als sich ZVEI und ZVEH im Jahr 1999 dazu entschlossen haben, eine Veranstaltung
in Frankfurt am Main zu unterstützen, wurde die Light + Building geboren. Du
hast die Ereignisse von Anfang an begleitet. Wie fühlt sich die Entstehung
einer Weltleitmesse an?
Maria Hasselman:
Ich
war damals Verkaufsreferentin und durfte aus der ersten Reihe mitverfolgen, wie
die Light + Building entstanden ist – Produktgruppen, Sonderschauen, Top-Themen.
Es war auch im übertragenen Sinne elektrisierend.
Johannes Möller:
Was
hat Dich seinerzeit am stärksten beeindruckt?
Maria Hasselman:
Eigentlich
zwei Dinge: Zum einen fand und finde ich den Mut der Industrie, mit der Light +
Building eine internationale Branchenplattform aufzubauen und konsequent zu
unterstützen, bewundernswert bis visionär. Zum anderen freue ich mich, dass die
Besucher das Konzept so gut annehmen. Der Hunger nach Neuigkeiten auf Seiten
des Handwerks, der Planer, der Architekten und natürlich des Handels ist
ungebremst – in Zeiten von Corona womöglich sogar noch stärker.
Johannes Möller:
Kannst
Du ein Beispiel für ein Produkt nennen, das die Besucher in 20 Jahren Light +
Building am offensichtlichsten zum Staunen gebracht hat?
Maria Hasselman:
Ein
spezifisches Produkt aus einem so gewaltigen Angebot herauszupicken fällt mir
schwer. In jedem Fall aber hat die LED-Technik für einige offene Münder
gesorgt. Die lichtemittierenden Dioden gab es zwar schon in den Sechzigern,
aber erst im neuen Jahrtausend wurden sie so weiterentwickelt, dass sie zum
adäquaden Ersatz für Leuchtmittel im Alltagsgebrauch wurden. Das Glühlampen-
und später Halogenverbot hat sicher entscheidend dazu beigetragen.
Johannes Möller:
Was
hat LEDs gegenüber herkömmlicher Beleuchtung so interssant gemacht – der
geringe Stromverbrauch?
Maria Hasselman:
Ja,
sicher auch der. Es kommt sehr auf die Perspektive an. Aus Sicht von
Architekten und Designern beispielsweise, ließen sich mit der LED auf einmal
völlig neuartige Lichtinstalationen verwirklichen. An
super-flache Einbautiefen oder besonders filigrane Objekte war vorher nur sehr
begrenzt zu denken. Gleichzig steht die Light + Building von Anfang an für
Energieeinsparung im Gebäude. Das Thema steht bis heute ganz oben auf der Agenda
und wird uns sicher noch einige Jahre erhalten bleiben. Denn durch weitere
Optimierungen bestehender Technik und natürlich die Entwicklung Neuer lassen
sich bislang ungeahnte energetische Potenziale heben. Die immer stärker
voranschreitende Digitalisierung nimmt dabei einen Schlüsselrolle ein. Warum?
Weil sie es den unterschiedlichen Gewerken immer einfacher erlaubt, ihre
Technologien miteinander zu vernetzen. Wir erleben hier starke
Synergetisierungen.
Johannes Möller:
Die
Light + Building steht von Anfang an für Licht genauso wie für Gebäudetechnik.
Über die LED haben wir gesprochen. Was hat Dich auf TGA-Seite begeistern
können?
Maria Hasselman:
Oh,
eine ganze Reihe von Produkten und Anwendungen. Spontan denke ich aber an
Smart-Home-Anwendungen. Das war ein Novum. Und natürlich war auch auf der
TGA-Seite die Energieeinsparverordnung und die daraus resultierenden Gesetze
ein deutlicher Branchentreiber. Die Ereignisse in Fukushima und die
Entscheidung der Bundesregierung aus der Atomenergie auszusteigen hat weitere
zentrale Impulse gesetzt. Maßgeblich war aber der wachsende Bedarf nach
regenerativen Energien und die damit verbundene Dezentralisierung der
Energieversorgung. Ab 2012 haben wir deshalb alle zwei Jahre eine neue
Sonderschau zum Thema auf der Light + Building auf die Beine gestellt: 2012 –
„Gebäude als Kraftwerk im Smart Grid“, 2014 – „Smart Powerd Building“, 2016 –
„Digital Building; Vernetzung der Gewerke und IP Standards“, 2018 – „Secure;
Integration von Sicherheitstechnischen Applikationen mit den anderen Gewerken“.
Heute spielt die Ladeinfrastruktur im und am Gebäude eine zukunftsweisende
Rolle beim Ausbau und der Skalierung der Elektromobiliät.
Johannes Möller:
Welche
Technologien waren außerdem Treiber – auch in den Jahren danach?
Maria Hasselman:
Im
Grunde war die Digitalisierung des Gebäudes DIE Treiberin. Von ihr ging fast
jede andere Innovation aus. Man muss sich das einmal vorstellen: Auf einmal
konnte man Sensoren und Aktoren über eine zentrale Steuereinheit bedienen.
Durch deren Vernetzung mit BUS-Systemen lassen sich hochkomplexe Systeme
realisieren. Die Verkabelung führte immer zur Steuereinheit. Darüber wurden die
Funktionen verwaltet.
Johannes Möller:
Du
sagst also, Digitalisierung war das große Thema. Was ist das nächste?
Maria Hasselman:
Digitalisierung!
Es geht weiter. In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, wie immer mehr
Gebäudefunktionen digitalisiert wurden. Begonnen mit, sagen wir, elektrischen
Rolläden, über die Wärme- und Lichtsteuerung bis hin zur Markise. Gleichzeitig
haben wir erlebt, wie Funktionen intelliegent miteinander vernetzt werden. So
fährt bei intensiver Sonneneinstrahlung die Beschattungsanlage herunter und
gegebenenfalls die Markise heraus, bevor die Klimaanlage aktiv den Innenraum
herunterkühlt. Die Effekte sind Kostenersparnis, Ressourcenschohnung,
erleichterte Bedienbarkeit und reichlich Komfort. Wissend
um das Potenzial der Digitalisierung ist das allerdings immer noch
verhältnismäßig profan.
Johannes Möller:
Was
meinst Du damit genau – was wird in Zukunft möglich sein?
Maria Hasselman:
Anwendungsszenarien
für Gebäude und Quartiere werden künftig nur durch die Phantasie limitiert.
Allerdings müssen dafür alle elektronischen Komponenten digital miteinander
vernetzt sein und die gleiche Sprache sprechen. Ein Beispiel: Wenn die
Straßenleuchte feststellt, dass das E-Mobil vor dem Haus abgestellt wird,
werden Parkgebühren zugewiesen, der Ladevorgang initiiert, der Gehweg dynamisch
bis zum Wohnhaus ausgeleuchtet, die Haustüre via Gesichtserkennung geöffnet,
die tagesspezifische Lichtstimmung genauso wie die Lieblingsmusik
initialisiert.
Johannes Möller:
Das
klingt spektakulär.
Maria Hasselman:
Ja,
das ist es auch. Für Dich wird es sicher ein ebenso aufregende Zeit werden wie
für mich zu Beginn der Zweitausender. Denn seit Anfang Juli hast Du von
mir den Staffelstab für die Leitung der Light + Building übernommen. Wie fühlst
Du Dich dabei?
Johannes Möller:
Euphorisch.
Ich könnte mir kein spannenderes Themenfeld vorstellen. Ich meine, denken wir
an steigenden Wohlstand und Urbanisierung überall auf dem Planeten. Das Gebäude
ist einer der Bereiche, in dem das meiste Potenzial steckt.
Maria Hasselman:
Guter
Punkt – Potenzial. Welche Chance siehst Du für das Gebäude der Zukunft?
Johannes Möller:
Ich
gehe davon aus, das städtischer Raum global immer knapper wird. Gleichzeitig
steigen die Ansprüche an ihn und damit auch an das Gebäude. Es wird also um
Smart-Grids genauso gehen wie Predictive Maintenance oder intelligente
Straßenbeleuchtung, wie Du sie gerade schon beschrieben hast. Gleichzeitig
müssen die Grundbedürfnisse nach Wasser, Wärme, Strom, Licht, Bewegung und
Sicherheit erfüllt sein.
Maria Hasselman:
Du
wirst die Geschicke der Light + Building steuern. Was ist für Dich die
Besonderheit der Weltleitmesse?
Johannes Möller:
Vernetzung.
Und zwar gleich auf zwei Ebenen. Einmal geht es natürlich um die Vernetzung der
Technischen Gebäudeausstattung untereinander – Licht müssen wir hier
selbstverständlich mitdenken. Du hast es gerade gesagt. Die Digitalisierung
bringt vollkommen neue Möglichkeiten. Und die lassen sich auf der Light +
Building erfahren. Auf der anderen Seite steht die Fachmesse für die Vernetzung
ihrer Aussteller und Besucher. Und das nicht nur über dutzende von
Landesgrenzen sondern auch Proffessionen hinweg. Diese Kombination macht die
Light + Building für mich einmalig.
Maria Hasselman:
Noch
nie wurde die Frage, ob man Messen nicht auch rein digital durchführen könnte,
so laut gestellt wie in diesem Jahr 2020. Die Hintergründe liegen auf der Hand.
Wie siehst Du das?
Johannes Möller:
Die
persönliche Begegnung ist unersetzlich. Wie sonst würden wir vertrauensvolle
Geschäftsbeziehungen aufbauen, Produktqualitäten untersuchen, Mitbewerber
analysieren, mit multiplen Märkten beziehungsweise Disziplinen in kurzer Zeit
in Kontakt kommen und finden, was wir nicht gesucht haben?
Maria Hasselman:
Ich
weiß, dass Du einiges für die Light + Building planst. Auch hierbei geht es um
Digitalisierung. Willst Du kurz skizzieren, was Du Dir vorstellst?
Johannes Möller:
Aber
klar, gerne. Die Light + Building ist schon längst nicht mehr eine rein
physische Veranstaltung. Du selbst hast Dich über Jahre dafür eingesetzt,
beispielsweise Top-Themen aus der gesamten Branche zu verankern – und das schon
Monate vor Beginn der Light + Building. Dazu hast Du die Website genauso
genutzt wie Soziale Medien. Der Verteil: Orientierung. Besucher haben es so
viel leichter, später physisch durch ein Angebot in der Größenordnung von 52
Fußballfeldern zu navigieren. Und genau diesen Effekt möchten wir in Zukunft
noch verstärken. Wir planen daher ein digitales Angebot, dass auch in den zwei
Jahren zwischen den Veranstaltungen Mehrwerte für Besucher und Aussteller
schafft.
Maria Hasselman:
Wie
kann ich mir das konkret vorstellen?
Johannes Möller:
Tatsächlich
will ich noch nicht zu viel verraten. Aber schon so viel: Wir werden
unterschiedliche Kanäle nutzen, um Branchendiskussionen anzustoßen, Meinungen
und Best-Practice-Beispiele zu veröffentlichen oder auf Trends und Produkt-News
zu deuten. Überspitzt formuliert: Bald wird man auch bei der Gartenarbeit
Neuigkeiten aus der Branche erleben können.
Maria Hasselman:
Das
klingt nach Podcast?
Johannes Möller:
Ja,
stimmt. Wir planen eine ganze Serie. Aber auch Videos und Foren werden zum
neuen Portfolio gehören.
Maria Hasselman:
Ich
sehe schon, Du kannst es schwer für Dich behalten. Für wann planst Du die
Neuerungen.
Johannes Möller:
Schon
im Juli werden wir die ersten Facetten des ergänzenden digitalen Angebots auf
der Light + Building Website veröffentlichen.
Maria Hasselman:
Ich
freu mich drauf. Danke für das Gespräch.
Johannes Möller:
Ich
danke Dir.